Mehr Reflexion!

In Finnland müssen Fußgänger per Gesetz Reflektoren tragen. Wie es dazu gekommen ist, erklärt Hanna Malhonen.

Nokia-Telefone kennt jeder und jede, und viele wissen auch, dass Nokia seinen Ursprung in Finnland hat. Aber wer würde das Handyspiel Angry Birds, die Kinderbuchfamilie Mumins und das Betriebssystem Linux dem Land der dunklen Abende zuordnen? Das ist noch nicht alles: Eine finnische Erfindung ist allgegenwärtig geworden – jedenfalls in Finnland.

Hanna Malhonen kommt aus Finnland und lebt in Wien. „Wenn ich frühmorgens oder abends unterwegs bin, merke ich, dass ich nicht in Finnland bin. Denn in Finnland trägt gefühlt jeder zweite Passant einen Reflektor an sich. In Österreich sehe ich das eher auf Fahrrädern und an Kindern, aber selten an Fußgängern.“

Braucht man in Finnland Reflektoren dringender als in Österreich?
„Es ist in Finnland dunkler, jedenfalls im Winter, wenn es zum Beispiel nur sechs Stunden am Tag hell ist. Im Sommer sind dafür die Nächte in Österreich länger. Aber um Dunkelheit geht es gar nicht. In Finnland passieren die meisten Unfälle mit Fußgängern in Städten, also auf beleuchteten Straßen. Die Straßenbeleuchtung alleine reicht nicht aus, um die Fußgänger sichtbar zu machen. Der Reflektor verbessert die Sichtbarkeit deutlich, auch wenn die Straßen beleuchtet sind. Und auch Regen und Nebel machen die Fußgänger unsichtbar, nicht nur die Dunkelheit.“

In Finnland sind Reflektoren allgegenwärtig, sagt Hanna Malhonen. „Das liegt auch daran, dass der Reflektor eine finnische Erfindung ist und dass das Angebot viel größer ist. Ein Bauer hatte einen Unfall, bei dem sein Pferd gestorben ist. So ist er auf die Idee gekommen, reflektierende Plakate an der Kutsche anzubringen. So wird die Geschichte jedenfalls erzählt ...“ Und sie geht weiter: Arvi Lehti war ein Landwirt, der in den 1950er Jahren begann Dreiecksreflektoren für Pferdefuhrwerke herzustellen. Auf Anfrage der Polizei kam er auf die Idee, zwei Hälften eines Fahrzeugreflektors zusammenzukleben – mit einer Öse zum Anhängen. Später erfand sein Sohn Taisto mit seinem Unternehmen Talmu die inzwischen klassische Schneeflocken-Form.

„Mittlerweile ist die Auswahl der Reflektoren groß und es gibt auch viele ‚modische’ Reflektoren. Wenn die Reflektoren schön, persönlich oder stilvoll sind, werden sie auch häufiger getragen. Es gibt Reflektoren auch von den finnischen DesignerInnen und beliebt sind auch Schuhbänder, Hauben oder Handschuhen, die reflektieren.“

Ein Fußgänger ohne Reflektor wird bei Abblendlicht aus 40 Meter bemerkt, mit Reflektor schon aus mehr als der dreifachen Distanz. „In Finnland sagt man, dass der Reflektor die billigste Lebensversicherung ist. Während Österreich ein reflektorisches Entwicklungsland ist, ist den Finnen seit 1982 per Gesetz vorgeschrieben, als Fußgänger einen zweckentsprechenden Reflektor zu tragen, seit 2003 auch in den städtischen Gebieten auf beleuchteten Straßen. Dafür gibt es sogar ein CE-Zeichen. „Jeder Zweite auf der Straße hält sich an dieses Gesetz, laut Statistik sind es etwa 54 Prozent“, meint Hanna Malhonen. „Es steht auch keine Strafe auf Nichtbeachtung, aber eine gesetzliche Vorschrift ist dennoch eine deutliche Ansage. Jeder sollte eigentlich selbst die Bedeutung und die Wichtigkeit erkennen.