Toter Winkel und Überhang

Schulbusse sind sichere Verkehrsmittel. Trotzdem kann immer etwas passieren.

Zur Person

Christian Kräutler ist verheiratet und hat zwei Kinder. Die Sicherheit unserer Kinder ist ihm ein persönliches Anliegen. Gleich nach dem Studium an der TU Wien hat Christian Kräutler beim Kuratorium für Verkehrssicherheit begonnen, sich mit verschiedensten Sicherheitsfragen zu beschäftigen – dies macht er nunmehr seit 20 Jahren. Dipl.-Ing. Christian Kräutler leitet beim Kuratorium für Verkehrssicherheit ein interdisziplinäres und umsetzungsorientiertes Forschungsteam mit PsychologInnen, PädagogInnen sowie Technikern.

Ein neues Programm von KfV und AUVA lässt Kinder selbst erleben, welche Gefahren im und um den Bus warten. Christian Kräutler vom Kuratorium für Verkehrssicherheit erläutert, was Kinder in „Meine Busschule“ lernen.
Szene aus der Busschule

netzwerk-verkehrserziehung: Ist das Fahren mit dem Schulbus wirklich so gefährlich, dass dafür eine eigene Schulung entwickelt wurde?
Christian Kräutler: Wir haben mit dem Schulbus das sicherste Verkehrsmittel, um von zu Hause in die Schule zu kommen. Nur 6% der Unfälle auf dem Schulweg passieren im Schulbus. Andererseits gibt es dennoch immer wieder schwere Verletzungen und spektakuläre Unfälle im Bus und auf dem Weg zur Bushaltestelle.

Welche Zonen oder Abläufe sind besonders gefährdet?
Die Haltestelle, das Ein- und Aussteigen, unpassendes Verhalten während der Fahrt – und schließlich, am gefährlichsten, das Aussteigen aus dem Bus zurück in den Verkehr, da passieren die schwersten Unfälle.

Was für Unfälle sind das?
Tragisch wird es vor allem dann, wenn Kinder nach dem Aussteigen vor oder hinter dem Bus über die Straße gehen oder laufen. Sie sind vorher lang gesessen, sie sind in der Gruppe, die Sicht ist verstellt ...

... und das Risiko steigt.
Nicht nur die Kinder erhöhen das Risiko. Wir sehen auch immer mehr abgelenkte Autolenker, die sich mit ihrem Handy beschäftigen und zu spät reagieren, wenn auf der Straße etwas Unerwartetes passiert.

Sie haben die Haltestelle als Gefahrenzone genannt.
Ja, Kinder können beim Aussteigen hängenbleiben. Sie verfangen sich mit Kleidungsstücken oder den Händen in der Tür und werden mitgeschleppt. Das passiert selten, ist dann aber sehr gefährlich. Viel häufiger sind Drängen, Schubsen, Raufereien oder auch nur kindliches Spielen. Dabei geraten Kinder ungewollt auf die Fahrbahn und vor die Autos.
Szene aus der Busschule

Was kann Kindern passieren, wenn sie schon im Bus sitzen?
Ein unerwartetes Manöver, eine starke Bremsung genügt schon. Kinder halten sich schon von sich aus eher nicht fest, wenn sie im Bus sitzen. Die Schultaschen liegen oder stehen womöglich frei herum und werden bei einer Bremsung zum Wurfgeschoß. Da kommen große Kräfte auf kleine Kinder zu.

Welchen Kindern bieten Sie die Busschule an?
Wir, also AUVA und Kuratorium für Verkehrssicherheit, bieten die Busschule für die 1. bis 4. Volksschule an, derzeit in Niederösterreich und im Burgenland. Sie ist kostenlos und man kann sich anmelden. Die Verfügbarkeit ist allerdings begrenzt.

Was passiert in „Meine Busschule“?
Es geht uns um Sehen und Spüren. Was man erlebt hat, bleibt eher hängen als das, was einem erzählt wurde. Wir beginnen mit vorbereitenden Übungen im Schulgebäude. Der Hauptteil der Schulung findet dann im und rund um den Bus statt. Am Ende lassen wir dann ein Poster mit unseren 10 Busregeln in der Klasse zurück.

Wie bringt man Kindern mehr Sicherheit bei?
Wir zeigen, was passieren kann. Wir bringen unsere Buspuppe mit und setzen sie hinten auf die Rücksitzbank. Dann wird mit Ankündigung eine Notbremsung durchgeführt. Die Kinder halten sich fest und sehen, wie die Puppe durch den Bus fliegt. Auch die Fingerverletzungen an der schließenden Tür beim Ein- und Aussteigen lassen sich mit der Puppe zeigen.

Was wird an der Haltestelle gezeigt?
Wir stellen die Puppe an die Haltestelle, ganz knapp an die Fahrbahn, aber noch auf dem Gehsteig. Der Bus hat aber einen Überhang, der beim Einfahren bis zu eineinhalb Meter in den Gehsteig ragen kann. Der Bus erwischt die Puppe und schleudert sie weg.

Wie wird „Meine Busschule“ aufgenommen?
Wir bieten die Aktion erst seit einem Jahr an. Das Feedback ist sehr positiv, vor allem von den Kindern, aber auch von den Buslenkern. Die haben ja selbst Angst, ein Kind zu verletzen, wenn sie in die Haltestelle einfahren. Deshalb nehmen wir in der Busschule den toten Winkel durch. Die Kinder dürfen sich auf den Fahrersitz setzen und definieren, was sie sehen, vor allem aber, was sie nicht sehen.

Wie kommt eine Schule zur Busschule?
Sie melden sich beim KFV unter aktionen@kfv.at, Tel.: 05 77 0 77-4000 oder bei der AUVA, Ansprechpartnerin Judith Wölfl sichereswissen@auva.at. Wir bieten die Busschule in Niederösterreich und im Burgenland an. Derzeit wird das Programm evaluiert. Danach entscheiden wir über eine mögliche Ausweitung in andere Bundesländer.

Zur Person

Christian Kräutler ist verheiratet und hat zwei Kinder. Die Sicherheit unserer Kinder ist ihm ein persönliches Anliegen. Gleich nach dem Studium an der TU Wien hat Christian Kräutler beim Kuratorium für Verkehrssicherheit begonnen, sich mit verschiedensten Sicherheitsfragen zu beschäftigen – dies macht er nunmehr seit 20 Jahren. Dipl.-Ing. Christian Kräutler leitet beim Kuratorium für Verkehrssicherheit ein interdisziplinäres und umsetzungsorientiertes Forschungsteam mit PsychologInnen, PädagogInnen sowie Technikern.