„Aufeinander Rücksicht nehmen“

Maria Schirmacher ist seit beinahe 20 Jahren mit dem Fahrrad in der Stadt unterwegs, hat als Volksschullehrerin von Berufs wegen viel mit Kindern zu tun und ist nun folgerichtig Referentin für Verkehrs- und Sicherheitserziehung in Wien geworden.

Zur Person

Maria Schirmacher ist Lehrerin und Referentin für Verkehrs- und Sicherheitserziehung in Wien.

Verkehrs- Mobilitätsbildung Bildungsdirektion Wien

 

Frau Schirmacher, was genau sind Ihre Aufgaben als Referentin?
Ich habe die Aufgabe seit etwas über einem Jahr übernommen. Grundsätzlich bin ich die Schnittstelle zwischen den Schulen und Organisationen wie beispielsweise der Polizei, der AUVA, dem Jugendrotkreuz, den Wiener Linien – also allen, die Angebote für Schulen bezüglich Verkehrs- und Mobilitätsbildung anbieten. Ich bin aber auch unterstützend pädagogisch beratend tätig, wenn neue Projekte entstehen und versuche meine Expertise einzubringen. Auch Lehrpersonen können mich gerne kontaktieren, wenn sie Fragen haben oder einen Kontakt benötigen – da helfe ich gerne weiter.

Wie sind Sie als Volksschullehrerin in die Verkehrs- und Sicherheitserziehung miteingebunden?
Wir haben pro Schuljahr zehn Stunden Verkehrs- und Mobilitätsbildung als verbindliche Übung im Lehrplan. Dazu gibt es verschiedene Projekte: Ab der ersten Klasse Volksschule kommt zum Beispiel die Polizei in die Klasse und übt mit den Kindern das sichere Überqueren der Fahrbahn. Zebrastreifen und Ampelregelungen werden besprochen und das Thema Mobilität wird im Unterricht immer wieder aufgegriffen. Das ist ein aufbauendes Programm bis zur vierten Klasse, bis zur Radfahrprüfung, die ja dann schon sehr komplex ist.

Welche Projekte gibt es noch, die die Verkehrs- und Mobilitätsbildung unterstützen?
Es gibt von den Wiener Linien U-Bahn-Sicherheitsführungen, die Klassen ab der zweiten Schulstufe besuchen können. Dabei werden den Kindern die Sicherheitseinrichtungen an den U-Bahn-Stationen erklärt und wie sie sich verhalten sollen, wenn etwas auf der Rolltreppe passiert. Vom ÖAMTC gibt es unter anderem für die dritten Klassen das Projekt „Hallo Auto“. Da bekommen die Kinder sehr anschaulich der Unterschied zwischen Reaktions- und Bremsweg erklärt: Nur weil das Auto bremst, bleibt es nicht sofort stehen. Die Kinder dürfen auch selbst bremsen und spüren den Unterschied. Außerdem können Schulen Radworkshops buchen, um den Kindern das sichere Fahrradfahren näherzubringen.

Gibt es zu all diesen Verkehrs- und Mobilitätsthemen  unterstützende Unterrichtsmaterialien für Lehrer*innen?
Es gibt viele Materialien, vor allem im Internet. Manchmal ist es etwas mühsam, aus der Fülle die geeigneten Unterlagen herauszufiltern. Lehrer*innen haben aber auch die Möglichkeit, selbst Material zu adaptieren, sodass es für ihren Unterricht passt. Mir ist es ein Anliegen, zu bestimmten Schwerpunkten aktuelles Material bereitzustellen. Im Moment findet zum Beispiel einmal pro Semester eine Aktion zum toten Winkel statt, immer in einem anderen Bezirk. Das ist eine Kooperation mit der Wirtschaftskammer und dem Kuratorium für Verkehrssicherheit. Da bin ich gerade dabei, Materialien, Ideen und Unterrichtsentwürfe zu konzipieren, damit die Lehrer*innen das Thema im Unterricht vor- und nachbereiten können. Das Ziel ist es, den Lehrpersonen die Aufbereitung eines Themas so einfach wie möglich zu machen und ihnen Materialien zur Verfügung zu stellen, die sie gut im Unterricht verwenden können.

Warum ist es so wichtig, früh mit der Verkehrs- und Mobilitätsbildung zu beginnen?
Kindern fällt es wahnsinnig schwer, im Straßenverkehr in andere Rollen zu schlüpfen und die Sicht der Auto- und Lkw-Fahrer*innen kennenzulernen. Da hilft es zum Beispiel – auch wieder in Hinsicht auf den toten Winkel – wenn sich Kinder einmal auf den Fahrersitz eines Lkw setzen und so die Sichtweise des Fahrers erleben. Alles, was zum Selbst-Ausprobieren und Selbst-Erkennen beiträgt, ist wichtig. Auf der anderen Seite sollten auch Erwachsene stärker sensibilisiert werden, Rücksicht auf die Kinder zu nehmen. Da ist oft die Einsicht nicht da, dass Kinder die Welt anders wahrnehmen oder langsamer reagieren. Mir ist es auch wichtig, dass den Kindern bewusst wird, dass es Alternativen zum Auto gibt, mit denen man oft sogar schneller ans Ziel kommt. Das ist einer der positiven Aspekte alternativer Verkehrsmittel.

Warum ist Ihnen persönlich das Thema Verkehrs- und Mobilitätsbildung ein so großes Anliegen?
Ich bin jeden Tag als Fußgängerin, Radfahrerin, Autofahrerin und Öffi-Nutzerin unterwegs und da sehe ich, wie viel täglich passieren kann, wenn man nicht gut aufpasst. Darum müssen Kinder vorbereitet und geschult werden, damit sie sicher und selbstständig mobil sein können. Ich finde, Kinder sollten so früh wie möglich zu eigenständiger Mobilität animiert werden. Auch die Nachhaltigkeit ist heutzutage ein wichtiges Thema. Zur umweltfreundlichen Mobilität gehören dabei für die Kinder natürlich Roller- und Fahrradfahren. In der Stadt sind die Wege nicht so weit, da lassen sich diese gut bewältigen.

Welche Rückmeldungen aus Ihrem Schulalltag freuen Sie besonders?
Wenn die Kinder das Gelernte zu Hause weitererzählen und umsetzen. Bei Elterngesprächen erfahre ich, dass die Kinder zum Beispiel in Bezug auf die Ampelphasen ihre Eltern „erzogen“ haben, weil sie das aus dem Unterricht mitgenommen haben. Je mehr die Kinder über das Gelernte erzählen, desto mehr Vertrauen haben auch die Eltern und lassen die Kinder eher selbstständig im Verkehr unterwegs sein. Und die Kinder sind wahnsinnig stolz und erzählen in der Schule, dass sie den Schulweg ganz alleine geschafft haben.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich in Bezug auf die Verkehrs- und Sicherheitserziehung wünschen?
Dass alle Verkehrsteilnehmer*innen aufeinander Rücksicht nehmen. Egal ob Autofahrer, Radfahrer oder Fußgänger – dass jeder ein bisschen Verständnis für den anderen hat und dass nicht gleich gehupt oder geschimpft wird.

Zur Person

Maria Schirmacher ist Lehrerin und Referentin für Verkehrs- und Sicherheitserziehung in Wien.

Verkehrs- Mobilitätsbildung Bildungsdirektion Wien