Radfahrskills statt Handy und Computer

Chefinspektor Nikolaus Koller ist der Koordinator für die Verkehrserziehung in Oberösterreich und spricht im Interview über das Erfolgsmodell freiwillige Radfahrprüfung.

Zur Person

Chefinspektor Nikolaus Koller ist der Koordinator für die Verkehrserziehung in Oberösterreich und Ansprechpartner für die Verkehrserzieher*innen im gesamten Bundesland. Er beschäftigt sich seit 1996 mit dem Thema Verkehrserziehung.

Herr Koller, warum ist es Ihnen die Verkehrserziehung ein so großes Anliegen?

Nikolaus Koller: Weil es um die Sicherheit unserer Jugend geht und Kinder und Jugendliche unsere Zukunft sind. Darum muss man alles tun, um sie entsprechend auf den Straßenverkehr vorzubereiten.

Dazu gehört auch in Oberösterreich die freiwillige Radfahrprüfung – ein Erfolgsmodell?

Die ist auf jeden Fall ein Erfolgsmodell. Wir betreuen die Kinder ja vom Kindergarten an, von den Schulanfängern bis zur vierten Schulstufe durchgehend. Das sind fünf Jahre, in denen wir sie mit der Verkehrserziehung begleiten. Die Radfahrprüfung ist das Highlight und der erste Führerschein, den die Kinder erreichen, um sich frei im Straßenverkehr bewegen zu können.

In welchem Alter werden welche Verkehrsthemen behandelt?

Im Kindergarten und der ersten Schulstufe geht es um das selbstständige Bewegen im freien Raum, das Überqueren der Straßen. Im zweiten Schuljahr geht es um das Thema Schulbus und in der dritten Schulstufe gibt es schon die Vorbereitung auf die Radfahrprüfung – da üben wir die Verkehrszeichen und das Verhalten im Kreuzungsbereich. Und in der vierten Klasse ist dann der Abschluss mit der Radfahrprüfung.

Man denkt ja, dass ohnehin jedes Kind einigermaßen Fahrrad fahren kann. Ist das tatsächlich so?

Wir haben gemerkt, dass die Kinder in der Freizeit immer weniger Rad fahren. Sowohl im städtischen Bereich, inzwischen aber auch schon im ländlichen Bereich. Viele Kinder können mit Handy und Computer besser umgehen als mit dem Fahrrad. Das ist dann gefährlich, wenn sie mit dem Rad am Straßenverkehr teilnehmen. Darum hat uns das Land Oberösterreich mit den Radfahrtrainings unterstützt. Die bieten wir an allen oberösterreichischen Volksschulen gratis an. Da gibt es dann einen Praxisteil im Ausmaß von zwei Schulstunden.

Was sind die größten Mängel im praktischen Umgang mit dem Fahrrad?

Die Balance ist nicht immer ausgeprägt, da merkt man auch, dass es an Turnstunden mangelt. Und speziell das Linksabbiegen mit Handzeichen, das einarmige Einordnen, das sind Herausforderungen, mit denen manche Kinder überfordert sind. Ein großes Problem ist auch, dass viele zur Radfahrprüfung ein neues Rad bekommen, mit dem sie noch nicht vertraut sind. Das heißt, sie müssen sich zu sehr auf das Rad konzentrieren und können den Fokus nicht auf den Straßenverkehr und die Verkehrszeichen setzen. Zusätzlich gibt es Probleme mit dem richtigen Sitz des Helmes, der Bedienung der Schaltung oder der Bremse. Oft wird zum Beispiel mehr mit dem Vorderrad gebremst als mit dem Hinterrad.

Sind die anderen Verkehrsteilnehmer im Gegenzug immer fit im Umgang mit Kindern im Straßenverkehr?

Es sollte im besten Fall ein Zusammenspiel aller Verkehrsteilnehmer geben. Aber wir sehen auch, dass Autofahrer ihre Position oft ausnutzen – da kommt es dann vor allem im Frühverkehr oft zu Rücksichtslosigkeiten. Das sind dann Gefahrensituationen bedingt durch Stress und Unaufmerksamkeit. Wichtig ist dabei vorausschauendes Fahren, das wir den Kindern in den Kursen auch näher bringen.

Wie wird das Angebot insgesamt angenommen?

Von den insgesamt 15.000 Radfahrprüfungen im Jahr machen rund 9.000 bis 10.000 Kinder bei den Radfahrtrainings mit. Das sind rund 70 %.

Wie sieht die Zukunft des Erfolgsmodells Radfahrprüfung aus Ihrer Sicht aus?

Seitens des Landes wird das derzeitige Prinzip, dass die Polizei die Radfahrprüfungen abnimmt, auch weiter forciert. Wir werden vom Land auch technisch für die Radfahrprüfungen ausgerüstet. Sollte es irgendwann Ambitionen geben, die Radfahrprüfungen an Privatunternehmen auszulagern, muss man eines bedenken: Für die Schüler*innen ist die Abnahme und Übergabe ihres ersten Führerscheins durch einen Polizisten in Uniform ein echtes Highlight. Auch die Absicherung der Strecke wird von uns mit hohem personellem Aufwand betrieben. Und es ist auch ein Kostenfaktor: Eine Privatfirma kann das natürlich nicht für die Kinder kostenlos anbieten so wie wir. Im schlimmsten Fall würde es die Radfahrprüfung in der derzeitigen Form nicht mehr geben, Darunter leidet dann die Verkehrssicherheit auf unseren Straßen.

Was sind die schönsten Rückmeldungen nach den Radfahrtrainings oder der Radfahrprüfung?

Die schönsten Rückmeldungen sind, wenn die Kinder auch nach zwei, drei Jahren den Polizisten am Verkehrsweg grüßen und noch immer stolz den Radfahrausweis herzeigen. Da merkt man, dass sie nach wie vor sicher im Verkehr unterwegs sind und die Radfahrprüfung als einschneidendes Erlebnis wahrgenommen haben!

Zur Person

Chefinspektor Nikolaus Koller ist der Koordinator für die Verkehrserziehung in Oberösterreich und Ansprechpartner für die Verkehrserzieher*innen im gesamten Bundesland. Er beschäftigt sich seit 1996 mit dem Thema Verkehrserziehung.