„Gewohnheitsmuster aufbrechen“

Interview mit Mag. Anita Eichhorn, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Verkehrssicherheit im KFV (Kuratorium für Verkehrssicherheit).

Zur Person

Mag. Anita Eichhorn ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Verkehrssicherheit im KFV (Kuratorium für Verkehrssicherheit).

E-Mail: kfv@kfv.at
Telefon: +43 5 770 77 – 0

Frau Mag. Eichhorn, wie wichtig ist frühe Bewusstseinsbildung zum Thema Mobilität?
Sehr wichtig. Bereits im Kindesalter wird das Fundament für das spätere Mobilitätsverhalten als Erwachsener gelegt. Aus diesem Grund leistet die schulische Verkehrs- und Mobilitätsbildung nicht nur in der Primar-, sondern auch in der Sekundarstufe einen wesentlichen Beitrag für die Gestaltung einer sicheren, gesunden und nachhaltigen Mobilität folgender Generationen.

Wie unterstützt das KFV Pädagoginnen und Pädagogen bei der Verkehrs- und Mobilitätsbildung?
Das Kuratorium für Verkehrssicherheit kann auf eine langjährige Erfahrung in diesem Bereich zurückblicken und hat es sich in diesem Zusammenhang zur Aufgabe gemacht, altersgerechte und zeitgemäße Verkehrs- und Mobilitätsbildung auf unterschiedlichen Ebenen umzusetzen. Einerseits sollen Pädagoginnen und Pädagogen mit Unterrichtsmaterialien in der Lehre unterstützt werden, andererseits werden regelmäßig Workshops zu aktuellen Themen entwickelt und angeboten. Darüber hinaus können Schülerinnen und Schüler immer wieder an unterschiedlichsten Aktionen teilnehmen.

Welche Unterrichtsmaterialien stehen aktuell zur Verfügung?
Die Unterrichtsmaterialien „Mit Risi & Ko unterwegs“ für die 5. bis 8. Schulstufe, die bereits seit 2018 zur Verfügung stehen, werden laufend aktualisiert und um aktuelle Themen erweitert. So sind zu den bestehenden Kapiteln „Risiko und Gruppendruck“ und „Sozialkompetenz im Straßenverkehr“ nun auch die Themen „Ablenkung im Straßenverkehr“ sowie „Mobilitätsformen und ihr Potenzial“ hinzugekommen. Letzteres wurde erst kürzlich um Unterrichtsvorschläge zum E-Scooterfahren ergänzt. Die Übungen und Unterrichtseinheiten sollen Pädagoginnen und Pädagogen dabei helfen, Schülerinnen und Schüler mit den geltenden Vorschriften und Regeln sowie der Handhabung vertraut zu machen. Darüber hinaus können sich die Schülerinnen und Schüler mit den Vor- und Nachteilen dieser neuen Mobilitätsform auseinandersetzen. 

Gibt es für die 1. bis 4. Schulstufe ein ähnliches Angebot?
Ja, seit Dezember 2019 können auch die Jüngsten Abenteuer mit Risi und ihren Freunden erleben.  Abgestimmt auf den Lehrplan wird der Fokus in der 1. und 2. Schulstufe vor allem auf die Themen „Sicherer Schulweg“ und „Zufußgehen“ gelegt. In der 3. und 4. Schulstufe werden diese mit den Themen „Soziales und sicheres Verhalten“, „Radfahren“, „Öffentliche Verkehrsmittel“ sowie „Mobilität und Umwelt“ erweitert.

Wie können die Materialien im Unterricht eingesetzt werden?
Die Materialien sind je nach Altersgruppe unterschiedlich aufgebaut. In der Volksschule sollen beispielsweise Vorlesegeschichten, Arbeitsblättern oder Verkehrszeichen-Spiele wie Domino oder Sudoku den Unterricht unterstützen. Wichtig ist hier ein spielerischer Zugang, um das Thema Verkehrsbildung zu transportieren. In der Sekundarstufe liegt der Fokus auf eigenverantwortlichem Handeln und Selbstreflektion. Mittels Gruppenarbeiten oder Diskussionen wird es für die Schülerinnen und Schüler möglich, sich mit unterschiedlichen Themen kritisch auseinanderzusetzen. Die Inhalte für 5. bis 8. Schulstufe sind wie bereits erwähnt in Themenschwerpunkte gegliedert, zum Beispiel „Risikoverhalten“ oder „Ablenkung“. Für jedes dieser Themen steht ein Comic zur Verfügung, mit Hilfe dessen ein erster Einstieg ins Thema erfolgen kann. Mit weiteren zusätzlichen Unterrichtsvorschlägen ist es möglich, das Thema zu vertiefen. Der Vorteil der KFV-Materialien besteht in dem gewählten modularen Mappensystem, das laufend erweitert werden kann. Es besteht also die Möglichkeit, regelmäßig neue Unterrichtsvorschläge zu aktuellen Themen auszuarbeiten und die Mappe so zu ergänzen. 

Warum ist es so wichtig, dem Lehrpersonal Materialien zum Thema Verkehrserziehung anzubieten?
Die Herausforderung in der Sekundarstufe besteht darin, dass das Thema Verkehrs- und Mobilitätsbildung zwar als Unterrichtsprinzip verankert, nicht jedoch als eigener Gegenstand im Lehrplan vorgesehen ist. Neben den lehrplanmäßigen Inhalten müssen jedoch mehrere Unterrichtsprinzipien und Kompetenzen in den Fachunterricht integriert werden. Das ist nicht für jedes Thema im selben Ausmaß möglich. Das KFV möchte es den Pädagoginnen und Pädagogen deshalb möglichst einfach machen, das Thema Verkehr & Mobilität in ihrem Unterricht zu behandeln. Aus diesem Grund sind die KFV-Unterrichtsmaterialien so gestaltet, dass man sie in verschiedenen Fächern, zum Beispiel im Sportunterricht oder im Deutschunterricht, ohne großen Aufwand oder Vorbereitung verwenden kann. Man nimmt die passenden Unterlagen einfach aus der Mappe und kann loslegen.

Welche Rückmeldungen bekommen sie von Lehrerinnen und Lehrern?
Durchwegs positive. Die Unterrichtsmaterialien wurden vor der Veröffentlichung sowohl mit Lehrerinnen und Lehrern als auch mit Schülerinnen und Schülern in Fokusgruppen getestet. Außerdem erfolgte eine Evaluierung zur Zufriedenheit mit den angebotenen Materialien sowie zur Einsetzbarkeit im Unterricht. Auch hier haben wir sehr viele positive Reaktionen erhalten.

Welche Rückmeldungen kommen von den Schülerinnen und Schülern?
Die Materialien kommen bei der Zielgruppe sehr gut an. Die Schülerinnen und Schüler können sich sehr gut mit den „Risi & Ko“ Charakteren identifizieren. Das ist auch wichtig, da die Comicfiguren als Projektionsfläche für eigene Erfahrungen und Verhaltensweisen dienen.

Was hat es mit den immer wieder vorkommenden Comicfiguren auf sich?
Die Freunde Risi, Hugo, Keule, Theo und Lila sind die Hauptakteure in allen aktuellen Unterrichtsmaterialien. Wie bereits erwähnt repräsentieren die einzelnen Charaktere dabei unterschiedliche Persönlichkeiten und Risikotypen (von vorsichtig bis unüberlegt). Die Gruppe begleitet die Kinder bei vielen Aufgaben und sorgt somit für Abwechslung im Unterricht. Gemeinsam mit den Kindern wachsen auch die Identifikationsfiguren heran, erweitern ihre Fähigkeiten, Kenntnisse und ihren Mobilitätsradius und erleben neue Herausforderungen. Dies ermöglicht eine einheitliche pädagogische Gestaltung der Verkehrs- und Mobilitätsbildung vom Schuleintritt bis zum Ende der Pflichtschulzeit.

Sie haben eingangs auch andere Angebote wie Workshops und Aktionen erwähnt. Gibt es auch hier Neues zu berichten?
Ausgehend von den Erfahrungen mit Ablenkungsworkshops für die Oberstufe hat das KFV ein weiteres Angebot für Jüngere entwickelt. So steht seit dem Schuljahr 2019/2020 ein 2-stündiger Ablenkungsworkshop für 12- bis 13-Jährige zur Verfügung. Dieser wurde speziell für diese Altersgruppe konzipiert, die bedingt durch die (beginnende) Pubertät verstärkt zu Regelverstößen und riskanten Verhaltensweisen neigt. Diese Zielgruppe scheint außerdem ideal für eine Präventions-maßnahme dieser Art zu sein, da Kinder in diesem Alter bereits alleine mit dem Fahrrad unterwegs sein dürfen, d.h., aktiv und selbstbestimmt am Straßenverkehr teilnehmen (können). Anmeldungen sind über die Aktionsseite des KFV möglich (kfv-aktionen.at).

Wie sieht so ein Ablenkungsworkshop in etwa aus?
Es geht darum, den Schülerinnen und Schülern klarzumachen, was Ablenkung überhaupt bedeutet. Ein Schwerpunkt dabei ist das Thema Multitasking. Dazu gibt es verschiedene Übungen, um den Schülerinnen und Schülern zu zeigen, dass es nicht funktioniert, zwei oder drei Dinge gleichzeitig zu tun. So ist es auch im Straßenverkehr: Wenn man seinen Blick zum Beispiel auf das Handy richtet, während man zu Fuß unterwegs ist, müssen die Aufmerksamkeitsressourcen aufgeteilt werden. Diese stehen dann nicht mehr in vollem Umfang für die Fortbewegung im Straßenverkehr zur Verfügung, was zu einem höheren Unfallrisiko führt. Wir wollen den Schülerinnen und Schülern zeigen, dass es wichtig ist, den Fokus auf die Hauptaufgabe zu legen. Im Straßenverkehr ist man in erster Linie Verkehrsteilnehmerin bzw. -teilnehmer, Nebentätigkeiten können ganz schnell zu Unfällen führen.

Der KFV bietet außerdem immer wieder Mitmachaktionen an?
Genau. Aktuell besteht für die 6. und 7. Schulstufen die Möglichkeit, an einem Risi & Ko Comic-Zeichenwettbewerb zum Thema Radfahren teilzunehmen. Einsendeschluss ist der 26.02.2021. Die Teilnahmebedingungen dazu sind unter risi-und-ko.at zu finden.
Grundsätzlich ist das KFV-Team bemüht, laufend neue Angebote zu aktuellen Themen zu entwickeln. D.h. es werden natürlich weitere Aktionen mit neuen Inhalten folgen.

Gibt es ein Thema in Punkto Verkehrssicherheit, dass Ihnen persönlich ein großes Anliegen ist?
Das Thema Aktive Mobilität ist sehr wichtig. Kinder und Jugendlichen sollten so früh wie möglich dazu motiviert werden, möglichst viele Wege zu Fuß oder mit dem Rad zurückzulegen. Wir wissen aus Befragungen, dass bei Alltagswegen vor allem bereits ausgebildete Gewohnheiten eine große Rolle spielen. Wurden kurze Wege schon immer mit dem Pkw zurückgelegt, dann lassen sich diese Gewohnheitsmuster leider nur sehr schwer aufbrechen. Zu Fuß gehen und Radfahren bieten Kindern zudem die Möglichkeit, bereits in frühen Jahren Verkehrskompetenz zu entwickeln. Aus diesem Grund sollte aktive Mobilität und auch Bewegung schon im Kindes- und Jugendalter stärker gefördert werden. Hier sollten sich auch Erwachsene ihrer Vorbildwirkung bewusst sein.

Zum Abschluss: Wie geht es eigentlich dem bekanntesten Gesicht des KFV, Helmi?
Helmi geht es sehr gut! Er hatte letztes Jahr sein 40-jähriges Jubiläum. Es war geplant, mit Helmi auf Österreich-Tour zu gehen, um seinen Geburtstag zu feiern. Leider musste diese aufgrund der Covid-19-Maßnahmen abgesagt werden. Aber Helmi wird natürlich weiterhin gerade für die Kleinsten als Identifikationsfigur eine wichtige Rolle spielen!

Zur Person

Mag. Anita Eichhorn ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Verkehrssicherheit im KFV (Kuratorium für Verkehrssicherheit).

E-Mail: kfv@kfv.at
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