Von der Verkehrs- und Mobilitätserziehung
zur Verkehrs- und Mobilitätsbildung

Der neue Lehrplan zur Verkehrs- und Mobilitätsbildung tritt in Kraft – passend dazu gibt es mit „Fanni und Zachi“ aktuelle Arbeitsunterlagen des BMBWF für die Volksschule.

Raimund Görtler arbeitet als Volksschullehrer und Autor. Er ist seit 27 Jahren in der Verkehrserziehung aktiv und hat sowohl am neuen Lehrplan zur Verkehrs- und Mobilitätsbildung mitgearbeitet als auch das begleitende Unterrichtsmaterial verfasst.

Fanni und Zachi 1
Der kompetente Weg zur abwechslungsreichen Verkehrs- und Mobilitätsbildung an Österreoichs Grundschulen (Schulstufen 0–2)
BMBWF 2022

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Herr Görtler, Sie haben am neuen Lehrplan zur Verkehrs- und Mobilitätsbildung mitgeschrieben. Was sind für Sie die wichtigsten Eckpunkte?
Als Zielanforderung galt das Festlegen von Kompetenzen. Wichtig erscheint mir, dass man neben der Handlungskompetenz großen Wert auf die Reflexionskompetenz legt. Bislang hat man den Verkehr beobachtet, eine ganze Reihe an Regeln erklärt und bei den Kindern Verständnis für die Straßenverkehrsordnung geweckt. Zusätzlich zu dieser Handlungskompetenz fordert man nun die Reflexion eigenen Verhaltens und dem von anderen Menschen. Das beinhaltet auch die Themen Ökonomie, Ökologie und die Auswirkungen auf die Gesundheit. Die Kinder sollen also dabei unterstützt werden, Mobilität umweltorientierter anzugehen.

Was genau ist der Unterschied zwischen Verkehrs- und Mobilitätserziehung und Verkehrs- und Mobilitätsbildung?
Wie gesagt, zuerst gab es die reine Verkehrserziehung, in der die Verkehrspflichten vorrangig schienen: Kreuzungen, Verkehrszeichen etc. Dann fügte man den Aspekt der Mobilität hinzu – bedingt durch neue Herausforderungen mit mehr Verkehr und alternativen Verkehrsformen. Im Laufe der Arbeiten zum neuen Lehrplan empfand man es als notwendig, den Titel Verkehrs- und Mobilitätserziehung in Verkehrs- und Mobilitätsbildung umzuwandeln. Der große Unterschied: Erziehung behandelt das Zeigen des eigenen oder ein Vorzeigen besseren Verhaltens als Vorgabe, während die Bildung zusätzlich das Anregen eigener kreativer Denkprozesse beinhaltet.

Kann man das an einem Beispiel festmachen?
Es reicht zum Beispiel nicht, zu vermitteln, dass man bei einem Zebrastreifen die Straße überqueren kann. Die Kinder sollen zum Mitdenken angeregt werden. Kommt ein Auto, wie schnell nähert sich das Fahrzeug – wobei Kinder das sehr schwer einschätzen können  –, hält der Lenker Blickkontakt …? Im besten Fall kombinieren Kinder das vorsichtige Kopieren von positiven Verhaltensweisen mit selbstständigem Mitdenken.

Wie sehr helfen Arbeitsunterlagen dabei, die Lehrer*innen bei der Vermittlung der Verkehrs- und Mobilitätsbildung zu unterstützen?
Oft ist die Verkehrs- und Mobilitätsbildung im täglichen Unterricht eher nachrangig gewichtet. Darum findet es das BMBWF vernünftig, aufbereitete Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die Lehrer*innen den Einbau im Unterricht erleichtern – und bei denen auch der Spaß nicht zu kurz kommt.

Deswegen gibt es nun die neuen Arbeitsunterlagen „Fanni und Zachi“. Was wird darin geboten?
Es gibt „Fanni und Zachi 1“ für die Schulstufen 0 bis 2 und „Fanni und Zachi 2“ für die Schulstufen 3 und 4. Dabei spielen die kluge Füchsin Fanni und das eher vorsichtige und ängstliche Zebra Zachi als Bezugspersonen eine wichtige Rolle. Sie erleben und kommentieren in Geschichten, was im Verkehr funktioniert und was verbesserungswürdig ist. In den Heften gibt es Arbeitsblätter, Kopiervorlagen, Rätsel und mehr. Über QR-Codes erhält man unkompliziert die Lösungen zu Aufgaben und Rätseln.

Welche Ziele setzt der aktuelle Lehrplan in jeder Schulstufe und wie unterstützen die neuen Unterrichtsmaterialien die Lehrer*innen dabei?
Die Kompetenzen orientieren sich an den Schulstufen. Sowohl im neuen Lehrplan, als auch in den Unterrichtsmaterialien findet sich ein schrittweiser Aufbau wieder. In der Vorschule geht es um einfache Konzentrationsübungen. Das große Thema in der ersten Klasse sind der Fußweg und insbesondere der Schulweg mit simplem Verständnis des Regelsystems der Straßenverkehrsordnung. In der zweiten Klasse geht es um Regel- und Zeichensysteme wie Ampeln oder Zebrastreifen, um Gefahrenabschätzung und Stressbewusstsein in Hinsicht auf das Verkehrsverhalten. In der dritten Klasse kommen rechtliche Vorschriften ins Spiel, dazu das Verhalten in öffentlichen Verkehrsmitteln und erste statistische Auswertungen des Verkehrsgeschehens. Alternative Bewegungskonzepte finden Erwähnung, zudem Probleme wie Vandalismus. Und in der vierten Klasse ist die Vorbereitung auf die freiwillige Radfahrprüfung das große Thema. Parallel verfolgt man, von Schulstufe zu Schulstufe zunehmend, die Auswirkungen zunehmender Mobilität. Anlassgeschichten und Gesprächsanregungen, Kreuzworträtsel und Spiele in den Unterlagen sorgen dafür, diesen Zielen begrifflich und gedanklich näher zu kommen.

Warum ist Ihnen persönlich die Verkehrs- und Mobilitätsbildung ein großes Anliegen?
Ich habe immer schon darüber nachgedacht, welche Dinge man im Zusammenleben von Menschen positiv verändern könnte. Aktionen und Reaktionen im täglichen Verkehrsgeschehen bieten dafür reichlich Inhalte. Wenn ich zum Beispiel beim Spazierengehen einen Bus mit 70 Sitzplätzen an mir vorbeifahren sehe, in dem nur eine Person befördert wird, dann werde ich nachdenklich.

Welche Rückmeldungen bekommen Sie zu Ihrer Arbeit?
Die Rückmeldungen zu den Unterrichtsmaterialien sind recht positiv. Bei Bildungsmessen waren zum Beispiel viele Lehrkräfte ganz von den Socken, solche Materialien kostenfrei bekommen zu können.

Was würden Sie sich zum Thema Mobilität für die Zukunft wünschen?
Wir halten die Freiheit, die man durch Mobilität erfährt, für selbstverständlich und sind nicht sonderlich gewillt, uns der Umwelt zuliebe einzuschränken. Mein größter Wunsch wäre, dass die Kinder bessere Lösungen finden, als wir selber.

Raimund Görtler arbeitet als Volksschullehrer und Autor. Er ist seit 27 Jahren in der Verkehrserziehung aktiv und hat sowohl am neuen Lehrplan zur Verkehrs- und Mobilitätsbildung mitgearbeitet als auch das begleitende Unterrichtsmaterial verfasst.

Fanni und Zachi 1
Der kompetente Weg zur abwechslungsreichen Verkehrs- und Mobilitätsbildung an Österreoichs Grundschulen (Schulstufen 0–2)
BMBWF 2022

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